Dr. Klaus Wührl-Strullers Rede zum politischen Aschermittwoch

Ich weiß nicht: Ist jemand von Ihnen schon mal einen Marathon gelaufen? Egal, Berlin, New York, Fränkische Schweiz…?

Auf sowas bereitet man oder frau sich in der Regel ja ein wenig vor. Dann ist da die Aufregung vor dem Start, der Kick, das Adrenalin, die Menschen an der Strecke, die Stimmung – die ersten 20 Kilometer laufen Sie wie auf einer Wolke. Je nach Trainingszustand wird’s danach ein bisschen irdischer, es geht eher in Richtung Arbeit, aber sie latschen noch immer ganz locker durch die Pampa. Aber bei Kilometer 30 rennen Sie plötzlich an eine Wand. Das kann auch mal bei Kilometer 29 oder 31 sein, egal. Aber dann geht’s nicht mehr. Dann ist ihr einziger Gedanke, was um alles in der Welt sie dazu bewogen hat, sich dieses aberwitzigen Vorhabens anzunehmen. Dann quälen Sie sich und quälen sich, nur um nach einer gefühlten Ewigkeit festzustellen, dass sie gerade mal einen halben Kilometer geschafft haben. Und da vorne wäre die U-Bahn-Station. Ihre Startnummer würde als Ticket reichen. Sie könnten einfach die Rolltreppe runterfahren, bequem die drei, vier Stationen bis zum Ziel fahren, was trinken und den Tag genießen. Und Sie kommen mindestens noch an zwei weiteren solcher Stationen vorbei! Aber natürlich, Sie sind ein Tier, Sie kämpfen sich durch. Sie beißen die Zähne zusammen und irgendwann sind Sie tatsächlich bei Kilometer 36 oder 37 oder 38. Es geht Ihnen immer noch genauso schlecht wie vorher, aber jetzt können Sie das Ziel schon riechen, jetzt können Sie alles geben, jetzt wissen Sie, dass Sie es schaffen werden, jetzt wollen Sie es wissen, jetzt läuft’s…

An diesem Punkt sind wir grade in der Kommunalwahl. Bei Kilometer 38. In zweieinhalb Wochen ist Wahl. Man kann es schon spüren. In zweieinhalb Wochen hat Bayreuth die Chance, grün zu werden. Nicht nur grüner, sondern grün! Und mit ein bisschen Glück haben wir die Chance, den ersten Grünen OB nicht nur in Bayreuth, sondern in Bayern zu stellen. Auf dem Weg zu diesem Ziel – all die zurückliegenden Kilometer – nicht die ersten 20, sondern die von 20 bis 30, die von 30 bis 38, all die Wochen und Monate – haben wir bislang schon unglaubliches geleistet. Wir haben zusammen ein großes, starkes, kreatives Team geformt. Ihr alle, die daran mitgearbeitet habt, wart großartig. Kreativ, fleißig, schnell, unermüdlich, immer da. Und dazu noch: Mit einem Lächeln. Wir haben Menschen angesprochen und wir haben Menschen mit unseren Botschaften erreicht. Wir haben Menschen gewinnen können und von unseren Ideen überzeugen können, für die bis vor wenigen Jahren „Grün“ noch wie die Ausgeburt des Bösen geklungen hat. Gemeinsam haben wir es geschafft, dass ein grüneres, ein grünes Bayreuth in greifbare Nähe gerückt ist. Wenn wir diesen Einsatz, diesen Willen, diese Freude an der Veränderung zum Besseren auch in den nächsten zweieinhalb Wochen zeigen und umsetzen, dann können wir gemeinsam am 15. März wirklich Großes für unsere Stadt, für Bayreuth, für die Menschen in Bayreuth erreichen!

Blöd nur: Wir brauchen es nicht mehr. Mehr Grün als jetzt schon da ist, geht nicht. Die SPD – grüner als Popeyes Spinat. Die BG: Will schon von jeher nichts als die Umwelt schützen. Und die CSU – die hat’s natürlich erfunden. Denn alles, was jemals irgendwann und irgendwo und irgendwie in der Welt gut war, hat die CSU erfunden. Wenn sie’s nicht erfunden hat, war’s nicht gut. Und wenn wirklich alle was gut finden, was die CSU nicht erfunden hat – dann muss sie es eben doch erfunden haben. Wie schon meine Kinder in der Grundschule zu sagen pflegten: Weil halt, das ist halt so.

Aber so ist es eben nicht. Und schon gleich gar nicht ist es so einfach! Natürlich wollen alle einen besseren ÖPNV. Natürlich wollen alle bessere Radwege. Natürlich wollen alle bessere Integration. Natürlich wollen alle was für die jungen Leute tun. Natürlich wollen alle mehr Teilhabe für alle Menschen. Natürlich wollen alle mehr und günstigeren Wohnraum. Mehr Digitalisierung sowieso. Und natürlich erst recht die Wirtschaft fördern. Und natürlich wollen wir vielfältige Kultur und nachhaltig sind wir sowieso alle bis zum Anschlag. Nachhaltig. Nachhaltig. Kein Wort wird so nachhaltig beliebig und damit bis zur vollkommenen Bedeutungslosigkeit ge- und vor allem missbraucht wie „nachhaltig“. Nichts ist so nachhaltig wie die Verwendung des Wortes „nachhaltig“ in jedem möglichen und vor allem unmöglichen Kontext – da muss man gar nicht wissen, was das nun genau bedeutet. Das geht soweit, dass selbsternannte Nachhaltigkeitsexpert*innen allen Ernstes behaupten, dass das Verteilen von Tüten aus 100 % Plastik, made in China, ein Akt ausgesuchtester Nachhaltigkeit wäre. Wer sowas von sich gibt, hat entweder keine Ahnung von Nachhaltigkeit oder er lügt. Was es nun im Einzelfall genau ist, will ich nicht entscheiden, muss ich auch gar nicht, den eines ist es so oder so garantiert nicht: Nachhaltig.

In der Ökonomie – und zwar tatsächlich in der Betriebswirtschaft wie in der Volkswirtschaft – gibt es etwas, das nennt sich Opportunitätskosten. Das ist bei Politiker*innen etwa so beliebt, wie beim Teufel das Weihwasser oder der Knoblauch bei Vampiren. Dabei ist das eine ganz einfache Sache, die auch kleine Kinder schon kapieren. Wenn du z.B. zwei Euro hast, dann kannst du dir entweder ein Eis kaufen oder ein Matchbox-Auto. Beides geht nicht. Wenn du dich für das eine entscheidest, hast du dich gegen das andere entschieden. Ein Eis kostet ein Matchbox-Auto. Und umgekehrt. Das mögen viele Politiker*innen nicht. Die haben auch nur zwei Euro, aber versprechen gerne jeder Wählerin das Eis und das Matchbox-Auto und am besten auch gleich noch den Eintritt ins Schwimmbad. Am Ende bekommst du dann bestenfalls eine leere Waffel, einen Sticker mit einem Bild vom Auto und das Schwimmbad hat zu. Und je lauter manch einer schreit, dass er ehrlich ist, umso sicherer kannst du nachher sein, dass er alles ganz anders gemeint hat.

Und genau davon wollen wir weg. Nicht, weil wir hier irgendwie so eine Art besonderen Heiligenschein haben. Nicht, weil wir die Weisheit mit irgendwelchen imaginären Schöpflöffeln gefressen hätten. Sondern weil wir den Wählerinnen und Wählern zugehört haben. Weil wir die Wählerinnen und Wähler mit ihren Fragen, mit ihren Sorgen, mit ihren Wünschen ernst nehmen. Weil wir mündige Politik machen für mündige Menschen, deren Denken über den Rand des eigenen Suppentellers bzw. über den Horizont der nächsten Wahlperiode hinausgeht. Darum wollen wir frisches Klima. Und das heißt, dass wir innerhalb der nächsten 2 Amtsperioden Bayreuth zur CO2-neutralen Stadt machen wollen. Das geht nicht mit Deckmäntelchen, mit einer irgendwo in den Untiefen der Stadtverwaltung versteckten Alibi-Stelle. Das geht nur, wenn das Ganze Chef*innensache wird. Wenn wir jedes einzelne Projekt auf den Prüfstand stellen und nach seiner CO2 Bilanz hinterfragen. Und wenn wir auch vor den Zumutungen einer CO2-Neutralität keine Angst haben. Zumutungen? Für Wählerinnen und Wähler? Das ist wieder wie die Opportunitätskosten, wie Teufel und Weihwasser, wie Dracula und Knoblauch. Nein, man darf auf keinen Fall dem Wähler, der Wählerin etwas zumuten. Klein halten, dumm halten, in Watte packen – dann werden sie’s schon nicht merken. Für wie blöd halten wir Wähler*innen eigentlich? Es geht um nichts geringeres als um die Rettung der Zivilisation, wie wir sie kennen. Und das sollte ohne Zumutungen abgehen? Das tut es natürlich nicht! Und das glaubt uns doch auch kein Mensch!

Wir werden alle weiterhin zu essen haben. Mehr als genug. Wir werden ein Dach über dem Kopf haben, etwas anzuziehen, wir werden mobil sein und wir werden in den Urlaub fahren können – oder sogar fliegen. Aber wir alle müssen – und das ist die schlimmste aller Zumutungen – wir alle müssen unsere Gewohnheiten ändern! Wir werden die Flächen für Parkplätze verknappen. Wir werden Autospuren zu Radwegen umwandeln. Wir werden Bäume pflanzen statt Parkbuchten bauen. Wir werden Photovoltaik fördern statt Erdgas zu verticken. Wir werden Bürgerwindparks ins Leben rufen, statt Stromkonzerne reich zu machen. Wir werden den Flächenfraß einschränken – und nicht bei jeder Gelegenheit „Arrondierungen“ veranlassen oder „Baulücken“ auf der Grünen Wiese schließen – „Baulücken“, die halb so groß sind wie das ganze Stadtgebiet. Wir werden die Wissenschaftler*innen der Uni nicht nur als Dekoration brauchen, sondern wir werden sie fragen, ihnen zuhören und ihrer Expertise vertrauen. Und nicht mit einem weiteren Kindersatz antworten: „Ja, ich hab’s schon verstanden. Aber ich will es trotzdem anders.“ Wir werden regionale und saisonale Lebensmittel fördern. Da schreien alle „Ja!“. Aber wenn es im Januar keine Erdbeeren gibt, wenn Kartoffeln statt Avocados auf den Tisch kommen, wenn es Gemüse statt Fleisch gibt – dann vergessen alle dieses „Ja!“ ganz schnell wieder. Wir nicht! Das sind die Dinge, die wir den Bürger*innen der Stadt zumuten – und vor denen sehr viele Bürger*innen keine Angst haben, sondern die sie gerne mittragen. Weil sie wissen, wofür sie es tun. Weil sie wissen, dass es der einzige Weg ist. Und weil sie wissen, dass wir diejenigen sind, die das auch konsequent zu Ende denken und umsetzen. Und das ist dann wahrhaft soziale, wahrhaft nachhaltige, wahrhaft grüne Politik!

Genauso wie es wahrhaft sozial ist, wenn wir die Verkehrswende zu Ende denken. Schönere Fahrradwege, mehr ÖPNV oder gar Park & Ride. Alles nett. Aber keiner wird vom Auto umsteigen auf eine Alternative, wenn wir nicht das Autofahren unbequemer machen und endlich den Preis vom Einzelnen verlangen, den er oder sie der Gesellschaft aufbürdet. In Bindlach boomen aktuell E-Bikes. Warum? Weil sich in Bindlach die Einsicht schneller durchgesetzt hat, dass das die bessere Alternative ist? Weil wir mit den Leuten freundlich geredet haben? Nein – weil die Hochbrücke saniert wird und die Leute lieber mit dem Fahrrad fahren, als im Stau zu stehen. Nochmal: Erst wenn wir das Autofahren unattraktiv machen, werden Alternativen zum Auto attraktiv. Warum soll ich denn an der Kaserne auf einen Park & Ride Parkplatz fahren, dort zur Haltestelle laufen, dort auf den Bus warten, mit dem Bus langsamer als mit dem Auto zu meinem Zielort fahren, wenn ich das gleiche schneller, bequemer und zumindest vermeintlich billiger haben kann. Wenn ich hingegen ständig Fahrräder sehe, die schneller vorwärts kommen. Wenn ich am Zielort keinen Parkplatz finde oder nur einen sehr teuren. Wenn ich jederzeit ein Car-Sharing-Auto in der Nähe finde. Dann können wir Alternativen zum Auto nicht nur schaffen sondern dann werden sie auch genützt. Nur mit schönen Versprechungen wird das nichts werden. Und mit Konzepten wie „sicher brauchen wir mehr Radwege, aber auch das Auto muss sein Recht behalten“, da schaffen wir keine Mobilitätswende. Das ist noch nichtmal ein grüner Anstrich für Farbenblinde. Mit Ideen wie „Freie Fahrt für meinen Diesel“, zusätzlichen Autobahnausfahrten für jede Ansiedlung über 500 Quadratmeter, Möbelriesen mit Billigprodukten für die reihenweise Wälder abgeholzt werden, die über tausende von Kilometer transportiert werden und die – neben dem eigenen Gewinn – vor allem zusätzlichen Verkehr auf unser aller Kosten produzieren, da förderst du keine Wirtschaft, da holst du keine zukunftsträchtigen Neuansiedlungen von Unternehmen in die Stadt, da hilfst du keinem StartUp und der lokale Handel wird einfach nur für dumm verkauft.

Es gibt ja so Parteien, da bekommst du mit dem Parteibuch auf ganz wundersame Weise wirtschaftspolitische Kompetenz. Z.B. bei der CSU oder bei der FDP… rein in die Partei und du bist ein Wirtschaftsweiser. Da musst du weder von deiner Ausbildung noch von deinem Beruf her irgendeine Qualifikation nachweisen, da kannst du fröhlich Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft durcheinander werfen, nur weil beides ähnlich klingt und wenn wir schon dabei sind, dann auch noch die Bierwirtschaft, denn da kommt das Wort Wirtschaft auch drin vor. Aber die Ideen, die du propagierst, die stammen alle aus den Lehrbüchern, die du in den 1980er Jahren verwendet hast und die in den 1970er Jahren mit Ideen aus 1960er Jahren geschrieben wurden.

Fördern und fordern – was wir im sozialen Bereich von den Schwächsten fordern, das müssen wir in der Wirtschaft auch von den Starken verlangen. Und das Lustigste ist: Die wollen das sogar. Wir haben hier ein Modellunternehmen. Kunststofftechnik Schläger – ein Automobilzulieferer. Die sind 2019 zum ersten Mal CO2-neutral. Und andere Unternehmen? Die rufen nicht „Satanas!“. Die wollen nicht weiterwurschteln wie bisher, die wollen nicht ihr altes Geschäftsmodell so lange weiternudeln, bis sie der nächste Kandidat für die Insolvenz sind. Die erkennen, dass das nicht mehr geht. Sondern die wollen sich verändern, die wollen auch da hin, wo zum Beispiel Schläger schon ist. Aber sie wissen nicht wie’s geht. Was die Wirtschaft garantiert nicht braucht, ist eine Politik, die ihnen mit Rezepten von vorgestern nach dem Munde redet oder versucht in andere Körperöffnungen zu kriechen. Sondern die Wirtschaft braucht eine Kommune, die die Rahmenbedingungen für innovatives Wirtschaften schafft und die gemeinsam mit den Unternehmen für die aktive und zielstrebige Umsetzung neuer Konzepte sorgt.

Und das Gleiche gilt für den Handel, insbesondere für den Handel in der Innenstadt. Ich kann keinem Händler sagen, wie er sein Geschäft führen muss. Ich kann keinem StartUp eine Beratung geben. Aber wir als Stadt müssen alles tun, damit der Handel, damit StartUps Bedingungen vorfinden, die ihnen die Umsetzung ihrer Ideen und den Aufbau ihrer Unternehmen leicht machen. Dafür brauchen wir Kompetenz, dafür brauchen wir den politischen Willen, dafür brauchen wir schnell und unkompliziert verfügbare, jeweils passende Räume. Was wir nicht brauchen, sind Prestigebauten mit ebensolchen Geschäftsführerstellen. Darum muss Wirtschaftsförderung Chefsache werden. Unternehmer*innen brauchen eine*n Ansprechpartner*in auf Augenhöhe. Genauso wie wir die Bürgerinnen und Bürger auf Augenhöhe wahrnehmen müssen. Mit „a wengla hier und a wengla dort“ schaffen wir die Klimawende garantiert nicht. Geschichten von einem, der nach Führerscheinentzug notgedrungen auf’s Fahrrad umsteigt und das auch hinterher noch nützt sind kein Beleg für irgendein Nachhaltigkeits- oder Klimaverständnis, sondern für das genaue Gegenteil. Wer meint, wir können uns ein Weiter-So, ergänzt um ein paar grüne Farbspritzer leisten und könnten so die Klimakatastrophe abwenden, der weiß entweder nicht, wovon er redet, oder er weiß sehr genau, wovon er redet und hält die Wähler*innen einfach für dumm.

„Ja, alles schön und gut, aber wir müssen ja die Menschen mitnehmen. Wir dürfen den Leuten nix oktroyieren. Wir müssen die Menschen abholen.“ Im Wahlkampf strotzt ja die Politik nur so vor Philanthropie. Keine Entscheidung ohne Workshop, kein Beschluss, von dem sich auch nur ein*e Bürger*in nicht vollumfänglich befriedigt fühlt, auf keinen Fall irgendjemandem was zumuten. Ich kann’s nicht mehr hören. Ich verdiene seit vielen Jahren mein Geld unter anderem mit dem Management von Veränderungsprozessen. Mit dem Zuhören und mit dem Erfragen dessen, was die Menschen bewegt. Mit dem Moderieren von Prozessen und Teams. Mit dem Finden von Entscheidungen und Lösungen. Aber auch mit dem Umsetzen von Ideen. Und natürlich müssen wir mit den Menschen reden, ihnen zuhören, sie einbeziehen, sie informieren – aber im Wesentlichen wählen die Menschen einen Stadtrat und eine*n Oberbürgermeister*in, weil sie jemanden wollen, der auch für sie vordenkt. Der ihnen erklärt, nicht, was jede*r einzelne, sondern was die Gesellschaft braucht und mit der/dem sie gemeinsam diese Gesellschaft gestalten können. Was die Menschen nicht wollen, ist, dass ihnen einer vorher das eine erzählt und hinterher das andere tut und ihnen anschließend erklärt, dass er das vorher auch schon so gemeint hat.

Und darum sagen wir den Menschen jetzt, hier und heute und schon in unserem ganzen Wahlkampf ganz ehrlich, dass eine wirksame Antwort auf die Klimakatastrophe wirksame, d.h. rasche und einschneidenden Maßnahmen erfordert. Ich wiederhole mich: Wir werden alle weiterhin zu essen haben. Mehr als genug. Wir werden ein Dach über dem Kopf haben, etwas anzuziehen, wir werden mobil sein und wir werden sogar in den Urlaub fahren können. Aber wir alle müssen unsere Gewohnheiten ändern! Zum Beispiel beim Wohnen. Es soll natürlich jeder Mensch, sofern er oder sie will, in seinem Einfamilienhaus, seiner Doppelhaushälfte oder seinem Reihenhaus wohnen bleiben. Und wer das will, soll auch weiterhin so ein Ding bauen oder erwerben und sanieren. Aber das kann keine wohnungspolitische Zielsetzung sein. Ganz im Gegenteil. Das Einfamilienhaus ist ein gesellschaftliches Auslaufmodell. Dem können wir als Kommune nicht mit der ständigen Ausweisung von Neubaugebieten auch noch Vorschub leisten. Das wäre ungefähr so sinnvoll und so zukunftsorientiert wie wenn wir sagen würden: Ja, „Word“ ist ganz nett, aber wir statten unsere Dienststellen wieder mit mechanischen Schreibmaschinen aus, weil die nicht gehackt werden können. Wir brauchen neue Wohnformen, neue, generationen- und lebensphasen-orientierte Wohnmodell. Und wir müssen auch beim Wohnen auf sparsamen Umgang mit Flächen, auf Energieeffizienz und Ressourcenoptimierung achten. Beim Bau und in der Nutzung. Und vor allem dürfen wir nicht aus kurzfristigem Profitinteresse und aus alter Kumpanei Baugebiete ausweisen und Bauten genehmigen, von denen wir schon vorher wissen, dass wir hinter sagen „wenn wir das vorher gewusst hätten“!

Schön und gut. Alles toll. Und die Leut? Was sagen wir denn denen? Denen sagen wir genau das. Denen erzählen wir keine Märchen. Die packen wir nicht in Watte. Denen muten wir das alles zu. Und ich sage euch, liebe Freundinnen und Freunde, diese Ehrlichkeit wird eine Mehrzahl der Bayreutherinnen und Bayreuther nicht schockieren, sondern sie werden uns dafür belohnen. Mit ihren Stimmen am 15. März! Denn natürlich nehmen wir die Menschen mit. Alle. Denn wir kümmern uns um Teilhabe. Ja, auch um die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen – rollstuhlgerechtes Bauen, Einrichtungen für Blinde oder Sehbehinderte, für Hörgeschädigte… alles gut. Aber Teilhabe heißt auch, wir nehmen Alte mit. Wir nehmen Alleinerziehende mit. Wir nehmen Menschen mit, die arm sind, die vielleicht nicht besonders gebildet sind, die vielleicht nicht oder nur kaum lesen können, die aus einem anderen Land hier her gekommen sind und die nun in Bayreuth leben und die allein dadurch schon Bayreutherinnen und Bayreuther sind – ganz egal, welchen Pass sie haben, welche Hautfarbe, welche Muttersprache und welches Vaterland. Bayreuth, das sind die Menschen, die hier leben, das sind ALLE Menschen, die hier leben.

Auch wenn wir die Wahl gewinnen, auch wenn wir mit einer starken Fraktion in den Stadtrat einziehen, auch dann wird es nicht von heute auf morgen gehen dass wir alle unsere Ziele umsetzen. Und vielleicht werden wir sogar manche unserer Ziele gar nicht erreichen. Aber eines möchte ich nicht mehr erleben und dafür werde ich mich künftig noch mehr und mit ganzer Kraft einsetzen: Eine solche Peinlichkeit wie vor zwei Wochen bei der Veranstaltung des Paritätischen, wo es um Rassismus ging, wo ein außerordentlich kluger Professor ebenso gescheit wie einfach erklärt hat, was Rassismus ist und wo keine zwei Minuten nach Ende seines Vortrags das halbe Podium genau die rassistischen Sprüche drischt, die er soeben entlarvt hat, wo Menschen, die aus einem anderen Land zu uns gekommen sind und längst hier integriert sind, aufstehen und mit zitternder Stimme eine angemessene Sprache einfordern, wo ich mich – und ich tu das selten, ich bin hart gesotten – wirklich für die Kollegen – es waren sämtlich Männer – geschämt habe… so eine Peinlichkeit, so eine Gedankenlosigkeit, so einen Rassismus, so eine Missachtung von Mitbürgerinnen und Mitbürgern möchte ich in 6 Jahren in unserer Stadt nicht mehr erleben müssen.

Am Ende – guter und wichtiger Hinweis für Sie – ich komme zum Ende! Am Ende geht’s immer ums Geld. Wie wollen wir das finanzieren, wo wollen wir das wegnehmen, was wir andernorts brauchen. Sie erinnern sich – Opportunitätskosten, Teufel, Weihwasser, Dracula, Knoblauch und so weiter… Das ist aber gar nicht die Frage. Die Frage ist, was kriegen wir für unser Geld. Klassisch wird der Wohlstand einer Gesellschaft – eines Landes, aber auch einer Stadt – gemessen mit dem Bruttoinlandsprodukt. Sehr salopp: Dem Wert der Waren und Dienstleistungen, die in einem Gemeinwesen produziert werden. Das wissen Sie. Und Sie wissen auch, dass zum Beispiel ein schwerer Verkehrsunfall oder ein Zugunglück oder sowas, zur Steigerung des Bruttoinlandsprodukts beiträgt. Weil da ja medizinische Dienstleistungen produziert werden, Abschleppdienste, Reparaturleistungen, Neuanschaffungen und so weiter. Das heißt, der Gesellschaft geht es schlechter, aber das Bruttoinlandsprodukt steigt. Und dieses Bruttoinlandsprodukt nehmen wir dann als Indikator dafür her, dass es der Gesellschaft besser geht. Moderne Ökonom*innen wollen davon weg. Zum Beispiel gibt es ein Modell, das sich „recoupling dashboard“ nennt. Da geht es grob gesagt darum, Wohlstand neu zu definieren auf der Basis menschlicher Bedürfnisse. Das Ganze hat vier Dimensionen – eine davon ist das Bruttoinlandsprodukt. Die anderen sind Empowerment bzw. Befähigung, gesellschaftliche Solidarität und ökologische Nachhaltigkeit. Wenn wir alle Investitionen an diesen vier Dimensionen messen und nicht eindimensional am rein monetären Bruttoinlandsprodukt, dann können wir auch in Bayreuth eine Gesellschaft schaffen, die wirklichen Wohlstand genießt.

Aber das wird wohl auch noch eine zweite Amtsperiode in Anspruch nehmen, da könnt ihr euch schon mal drauf einstellen. Denn nicht nur der liebe Kollege Zippel will und wird die Folgen seines Handelns noch erleben, sondern wir alle wollen und (hoffentlich) werden das – egal, ob wir 20, 40, 60 oder 80 Jahre alt sind. Und vor allem werden das meine Kinder und meine Enkel erleben, denn ich wünsche mir nichts so sehr, dass auch die noch – dank unserer heutigen Arbeit – ein so gutes und reiches Leben führen dürfen, wie wir es dank der Arbeit unserer Vorfahren führen durften und dürfen.

Ich habe das Ende angekündigt, jetzt komm ich wirklich zu ihm. Es gibt nur noch eine Frage, die ich zu beantworten habe: Warum sollen Sie ausgerechnet mich wählen. Kürzlich hat mich jemand kritisiert, weil ich keine Ahnung vom Naturschutz hätte. Ich kann Amseln von Tauben und beide von Bussarden unterscheiden, Birken von Eichen und beide von Apfelbäumen, aber dann wird’s mit meiner Naturkenntnis schon eng.

Ich will aber auch nicht Leiter einer Naturschutzeinrichtung werden oder eines Tierparks oder einer Baumschule. Sondern ich will Oberbürgermeister von Bayreuth werden. Die Themen sind abgesteckt: Mobilität, Nachhaltigkeit, Teilhabe, Wohnen, CO2-Neutralität. Aber um diese Themen erfolgreich angehen zu können, braucht Bayreuth vor allem einen Oberbürgermeister, der zuhören kann, der moderieren kann und der umsetzen kann. Mit anderen Worten, der ein neues, konstruktives Miteinander schaffen kann und der – das sind die Worte einer Freundin – ins Gelingen verliebt ist. Und genau das sind meine Kernkompetenzen. Aus jahrelanger Erfahrung und mit einer entsprechenden Ausbildung kann ich sehr gut Menschen unvoreingenommen zuhören und verstehen, was Sie brauchen. Ich kann Prozesse initiieren und Teams mit Stringenz, aber auch mit Humor moderieren – Bürgerinnen und Bürger, den Stadtrat, die Verwaltung. Und ich kann Projekte umsetzen und konsequent und zielstrebig durchführen – Dinge wie die Tafel Bayreuth, wie „Bayreuth blättert“ oder wie „ZAMM! Das Bayreuther Theaterfestival.“ sind nur einige Beispiele dafür. Zuhören. Moderieren. Umsetzen. Für ein neues Miteinander, für eine neue Liebe zum Gelingen. Wenn Sie, wenn ihr also den Oberbürgermeister für Bayreuth wollt, den Bayreuth braucht, dann wählen Sie, dann wählt bitte in zweieinhalb Wochen mich. Lasst uns diese zweieinhalb Wochen noch gemeinsam richtig arbeiten, lasst uns nochmal alles geben, lasst uns die Menschen von uns und unserer Politik überzeugen.

Ich habe eingangs gesagt, wir können das Ziel schon riechen – Wenn wir jetzt noch zweieinhalb Wochen dranbleiben und konzentriert und gemeinsam arbeiten, dann haben wir eine große Chance, auch als erste dort einzutreffen. Ich freu mich drauf! Dankeschön.